Woher kein Reisender mehr wiederkehrt

Der Daseinsmonolog des Hamlet – First Folio (1623) – von William Shakespeare

 – aus dem Englischen neuübersetzt von Stefan Zimmermann – Licensed under CC BY-NC 4.0

Dasein oder Nichtmehrsein, das ist die Frage;
Was wohl edler’n Eindruck macht: Der Habgier Schlinge
Und des unverschämten Reichtums Pfeil erleiden
Oder mit den Waffen in ein Meer aus Qualen,
Um sie auszumerzen, schreiten: Sterben, Schlafen
Und sonst nichts; und schließlich mit dem Schlaf besiegen:
Herzensschmerz und tausendfach’ Erschütterungen,
Derer sich ein Leibe qlt? Vollendung ist es,
Nach der Jeder sehnlich strebt. Nach Sterben, Schlafen;
Schlaf ist die Gelegenheit zum Traum: Das ist es;
Was in diesem Todesschlaf an Träumen käme,
Wenn die Wirrungen der Sterblichkeit wir lösten,
Muss uns Einhalt geben. Liegt nicht darin jener
Grund des Unglücks eines hohen Lebensalters:
Denn wer nähme hin des Lebens Spott und Peitschen,
Unterdrückung und der armen Menschen Schmähung,
Schmerz verfehlter Liebe und des Rechts Verschleppung,
Unverfrorenheit der Ämter und Verachtung
Jener nur mit schlichtem Fleiß erbrachter Taten,
Wenn sich Todesstöße einfach setzen ließen
Mit der schlichten Nadel? Warum Bündel tragen,
Keuchend, schwitzend und des Lebens überdrüssig;
Eigentlich doch nur aus Furcht vor Jenseitsfragen,
Dass das ferne, unentdeckte Land, woher kein
Reisender mehr wiederkehrt, den Geist uns martert
Und uns lieber lässt bekannte Qual erleiden
Statt hinein in ungewisse Sphären schreiten.
Dies’ Gewissen mehrt die Feigheit in uns allen,
Lässt die reich gefärbte Urgewalt der Tatkraft
Siechen in der Bleiche des Gedankentreibens,
Unternehmungen mit größtem Schwung im Marke
Dementsprechend aus der Schaffensbahn geraten
Und verlieren jeden Drang. Erbarm’ Dich meiner,
Liebliche Ophelia? – Nymphe, Dein Gebet soll
Jeder meiner Sünden mahnen.