Am Ende der Zypressen

Im Original: To — — —. Ulalume: A Ballad (1847) – von Edgar Allan Poe

– aus dem Englischen neuübersetzt von Stefan Zimmermann – Licensed under CC BY-NC 4.0

Nüchtern’ Grau sich den Himmel erobert,
Alle Blätter rau, brüchig, entziert –
Alle Blätter schlicht welk und entziert;
Es war Nacht, es war einsam’ Oktober
In dem Jahr, das mein Geist gern verliert;
An den trüben Gewässern von Auber,
In der nebligen Gegend von Weir –
An dem feuchtkalten Bergsee von Auber,
In den ghoulischen Wäldern von Weir.

Hier durchschritt ich titanisch’ Passage
Aus Zypressen: Mein Herz in mir stieß –
Meine Psyche, mein Herz, in mir stieß.
Meine Brust voll vulkanischer Rage,
Wie die Schlacke, wenn sie sich ergießt –
Unermüdliche Lava, die fließt;
Wenn durch Yaaneks verschwefelt’ Drainage
In den arktisch’ Gefilden sie sprießt –
Wie sie fließt am Berg Yaanek voll Rage,
Wenn im äußersten Norden sie sprießt.

Ernstes Wort unser Herz sich erobert,
Mit Gemütern gelähmt und entziert –
Mit Gedächtnissen tückisch entziert –
Denn wir dachten, es sei nicht Oktober,
Es sei nicht diese Nacht, die passiert –
(Ah, die Nacht aller Nächte passiert!)
Nicht gewahr der Gewässer von Auber –
(So als wären wir hier nie spaziert) –
Längst vergessen den Bergsee von Auber
Und die ghoulischen Wälder von Weir.

Als mit schwindender Nacht, unerwartet,
Hin zum Morgen die Sternenuhr drang –
Als der Morgen die Sterne durchdrang –
Aus der Wässrigkeit unseres Pfades
Ein vernebelter Schimmer entsprang,
Dann ein Halbmond, gar seltsam geartet,
Mit zwei gleichförmig’ Hörnern daran –
Diamantene Sichel Astartes,
Unverkennbar mit Hörnern daran.

Und ich sprach – „Wie Diana, nur milder:
Durch vertröstenden Äther sie schwebt –
Durch vertröstend’ Gefilde sie schwebt:
Hat geseh’n, dass die Tränen nichts stillte,
Wo auf Wangen Gewürm ewig lebt,
Kam vom Löwen, dem Sternengebilde,
Uns zu weisen zum Himmel den Weg –
Hin zum Lethenen Frieden den Weg –
Ohne Furcht vor des Löwen Gefilde,
Ihren Augenschein sie auf uns legt –
Kam zu uns durch des Löwen Gefilde,
Ihre Augen mit Liebe belegt.“

Meine Psyche, mich dringlich ermahnend,
Sprach – „Ich kann diesem Stern nicht vertrau’n –
Ihrer seltsamen Blässe nicht trau’n: –
Lass’ uns eilen! oh, lass’ uns nicht lahmen!
Lass’ uns fliegen! – sie nicht mehr beschau’n.“
In Entsetzen sie sprach, niederkamen
Ihre Flügel, im Dreck trieb ihr Saum –
Sie erschluchzte, in Qual niederkamen
Ihre Federn, im Dreck trieb ihr Saum –
Bis im Dreck war verkümmert ihr Saum.

Ich erwiderte – „Psyche, Du träumst nur:
Lass’ uns schreiten ins flackernde Licht!
Auf zum Bad ins kristallene Licht!
Sein Sybillener Glanz ist gesäumt nur
Von der Hoffnung und Schönheit, sonst nichts: –
Schau! – im Nachthimmel schimmernd sich’s bricht!
Ah, sie ist ein erleuchteter Freund nur;
In die Irre führ’n wird sie uns nicht –
Sie ist uns ein erleuchteter Freund nur;
In die Irre führ’n kann sie uns nicht,
Denn ihr Schimmer im Himmel sich bricht.“

So beruhigte ich Psyche, liebkosend,
Und bestritt ihr trübseliges Tun –
All’ Bedenken und trübselig’ Tun:
Doch aufs Ende des Pfades gestoßen,
Sah’n ein Grab wir direkt vor uns ruh’n –
Ein umwobenes Grab vor uns ruh’n;
Und ich sprach – „Schwester, was ist hier los und
Sprich, was hat es mit uns nur zu tun?“
Sie las vor – „Ulalum’ – Ulalum’ –
Ist das Grab Deiner lieb’ Ulalum’!“

Nüchtern’ Grau sich mein Herz nun erobert,
Wie die Blätter rau, brüchig, entziert –
Wie die Blätter schlicht welk und entziert,
Und ich schrie – „Es war sicher Oktober,
Gleicher Nacht letzten Jahres passiert,
Dass ich wandelte – wandelte hier –
Brachte furchtbare Bürde mit mir –
In der Nacht aller Nächte mit mir,
Oh, welch Dämon verführte mich hier?
Hier am trüben Gewässer von Auber –
Dieser nebligen Gegend von Weir –
Hier am feuchtkalten Bergsee von Auber –
Diesen ghoulischen Wäldern von Weir.“

Und so sprachen wir beide – „Ah, kann denn
Es nicht sein, dass die Ghoule des Walds –
Die barmherzigen Ghoule das Walds –
Um den Weg zu versperr’n und zu bannen
Das Geheimnis am Ort, wo es weilt –
Das Verborgene dort, wo es weilt –
Planetarischen Geist zu uns sandten
Aus dem Limbus, wo Mondseelschaft wallt –
Planetarisches Funkeln uns sandten
Aus der Hölle, wo Sternseelschaft wallt?“

Die Gunst der Nacht

Im Original: “Benediction” – von Andrew Francis Lockhart – aus: The Conservative, Vol. II, No. I (1916)

– aus dem Englischen neuübersetzt von Stefan Zimmermann – Licensed under CC BY-NC 4.0

Versunkener Sonne verweilendes Licht
Taucht die gräulichen Hügel in goldenen Schein;
In der Abendstund’ perlenversehrtes Gesicht
Schwingt ein Seetaucher sich unbehelligt hinein.

Tiefe Schatten umgarnen behüteten Teich,
Und der Sumpf liegt verborgen in Schleiern aus Dunst,
Welcher aufsteigt und fällt über Wildgräsern weich,
Phantomsegeln gleichend, in schwebender Gunst.

Ein strahlender Stern klärt die Falten der Nacht;
Durch verwachsenes Dickicht am Teichuferrand
Drängt ein flackerndes Leuchten von purpurner Pracht,
Von entlegener Hüttentür vorwärts gesandt.

Der Tag ist vorüber, und über die Welt
Bricht sanft eine sinnliche Stille herein,
Jedes Menschenkind streichelnder Frieden befällt,
So in Bauerngehöft wie in Edelmanns Heim.

Wir singen Lovecraft

Die Miskatonic-Universität

Heute haben wir ein kleines Schmankerl für Euch! Einer unserer Übersetzer*Innen, Stefan Zimmermann hat für Euch das wunderbare Trinklied aus HPL’s Geschichte “Das Grab” übersetzt. Vielen Dank an Stefan und viel Spaß Euch mit diesem feuchtfröhlichen Stück Lyrik.

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